ZUM ABSCHIED VOM VATER
Audio-Visuell-Literarisches Performance-Projekt
Robert Riedl / Klaus KaRaSu Schrefler / Dr. Nachtstrom, Dietmar Tschmelak

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VISUAL MEDIA - KOMMENTAR

Als Vorlage für die visuelle Umsetzung dienten einerseits „die Visionen, die sich während der Lektüre der Textvorlage des Autors malten“, andererseits meine jahrelange künstlerische Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Gewalt. Bereits zu Beginn des Balkankrieges wurde von mir im Internet ein Projekt, mit dem Titel [...there´s no light without darkness...  but never justice in war!], erarbeitet, wobei der erste Teil, welcher  in Anlehnung an die KaRaSu-Web-Site benannt wurde, einerseits den Sinn der Ausgrenzung des Dunklen, Bösen, der Gewalt in Frage stellen soll, andererseits aber um so mehr die Rechtfertigung von gewaltsamer Freiheitsverletzung, von welcher Seite sie auch kommen mag, zur Diskussion bringt.

Ausgehend von der Einstellung, daß jeder ausartenden Auseinandersetzung insbesondere in der Dimension eines Krieges ein Ins-Unrecht-Setzen eines jeweils (institutsionalisierten) Anderen zugrunde liegt, bildet der sehr verwandte Kontext des Konflikts zwischen Vater und Sohn - noch deutlicher vor dem Hintergrund des Krieges - die Basis für die visuelle Umsetzung besagten Textes.

Das Ziel ist hier schließlich eine Verschmelzung aller Ebenen, ein dichtes Programm, das wenn es die erhoffte Auflösung des Konflikts geben soll, sich nur im Besucher selbst abspielen kann. Nicht ein vorgefertigtes Happy End, sondern ein tiefes Begreifen der  Zusammenhänge als Basis für eine Transformation ist der Background für diese Fusion der einzelnen Sparten. Wer sich hier ein leichtes Abendprogramm erhofft ist hier falsch am Platz, das Programm ist dicht und brisant – die Eindrücke wirken nach.

Die Arbeiten im einzelnen

In der auch am Buchumschlag dargestellten Fotografie „Zum Abschied vom Vater – Die Häutung“, die gleichsam die Einleitung der Visualisierung bildet, kommt der „Häutung“ als Verbildlichung der inneren Transformation große Bedeutung zu. Der Begriff ist für mich zu einer der zentralsten Metaphern meines Schaffens geworden und wird in besagtem Werk extremst verdeutlicht. Es zeigt den Rücken eines leicht kauernden nackten Mannes, dessen gesamte Haut sich wie eine ausgetrocknete Pflanze schält, sich gewissermaßen häutet. „Dieser überfotografierte-fotografierte Mensch sitzt in absoluter Finsternis und blickt mit geschlossenen Augen etwas nach hinten, leicht in Richtung des Betrachters, als müßte er mehr und mehr in seine Vergangenheit zurücksehen, oder besser: in sich hinabsehen, um sich mehr und mehr häuten zu können, um sich mit der Zukunft weiterzuverwandeln, damit er den Kern seines Ichs im Jetzt zu orten weiß. Dieser Prozeß des ´Sich-Häutens´ scheint äußerst schmerzhaft für das Ich zu sein, doch dürfte er erst die Möglichkeit der wirklichen Veränderung eines Individuums sowie seiner Identität schaffen.“ [zit. Robert Riedl]

Mit „Das Weinen des Vaters – Father and Wine“ wird einleitend nur der Auslöser des Konflikts angerissen – die Ablenkung durch das Ertränken der Worte – einem Sinnbild für den Verlust der Kommunikation. Das nochmalige Erscheinen der im Gegensatz zum ersten von Textfragmenten überprojizierten Fotografie verstärkt den durch die Worte geschaffenen stoßgebetsartigen Eindruck.

„Das Manuskript“ bringt nun das zentrale Thema – das Streben nach Auflösung des Konflikts zur Sprache. Die angebotene Hand, die vor den Manuskripten auftaucht, so als wären die niedergeschriebenen Worte die (vielleicht letzte) Chance sich gegenseitig und somit selbst anzunehmen und den Konflikt zu begraben. Erstmalig taucht hier bereits das Symbol des Fensters auf, das im weiteren Verlauf mehrmals eine wichtige Metapher darstellt.

Drehen sich die ersten visuellen Eindrücke noch vorwiegend um die vordergründige Thematik des Romans, so verdeutlichen die nachfolgenden Werke mehr und mehr die Verstrickung und Komplexität des behandelten Themas.

Erstmals taucht rohe Gewalt auf; „Broken Tongue“ spielt mit der im englischen doppelten Bedeutung des Wortes tongue für Zunge & Sprache. Das Herausreißen der Zunge, wie es der Text thematisiert, weist auf das nun endgültige Versagen des verbalen Austauschs hin.

Während sich die Textspirale enger dreht wird der Verbildlichung der Traumwelten entsprochen – es erscheint „Der Traum von Dubrovnik“, das Bild der über das Meer herannahenden Kriegsszenerie vor dem ehemals idyllischen Strandambiente, ersteres dem Ausbruch lange bestehender aber nicht ausgetragener Konflikte, letzteres doppeldeutig der Familienidylle zuzuordnen. Die Stadt Dubrovnik symbolisiert abermals das kulturelle Erbe vor dem drohenden Untergang.

Imperativisch angesprochen fühlt man sich beim Auftauchen des Bildes der Gewalt, das den Schuldigen immer im Du zu suchen scheint und selbst im schützend geglaubten Dunkel untertaucht. Damit beschreibt es den Kern aller Auseinandersetzungen, das Ins-Unrecht-Setzen des Anderen auf der Ebene der Beziehung, ein Phänomen das auf höchster Ebene zur Eskalation in Form des Krieges führt. Schlagartig wird auch aus der zuvor angebotenen Hand, nach dem Versagen aller Versuche den Konflikt friedlich auszutragen „Der Herr Gottes“. Die aggressive Handhaltung der im Hintergrund geschützt geglaubten Person findet die Parallele in der Textpassage.

Bruchstückartig stellen die Reste der alten Festung dar, wenn sich in “Einsame Vergangenheit“ die traumartig anmutende Szenerie einer Landschaft auftut, einer Bühne für ein Stück ohne Darsteller. Wo einst Leben gewesen sein dürfte, stehen Metallsplitter aus dem verrottenden Boden.

Langsam beginnt „Die Haut“ (des Titelbildes) zu reißen – die Detailansicht der blutenden Wunde mit der langsam abblätternden, aufreißenden Haut weist darauf hin, daß man sich dem zentralen Aspekt nähert – der Transformation des Konflikts.

Die „Flügellosen Tauben“ nehmen dem Betrachter allerdings sogleich wieder jede Illusion, daß sich die Auseinandersetzung auf dieser Ebene bereinigen ließe. Die Todesangst wird angesprochen – sie ist es, die uns ihrerseits zum Töten befähigt – Schutz vor den dramatischen Auswüchsen bietet nur das eigene Erkennen, das Gewissen, das als „Der Wächter“ zum Begleiter wird. Die Vorderansicht des bereits im Titelbild dargestellten auch hier wieder gesichtslosen Mannes zeigt ebenso die sich langsam vollziehende Schälung. Im Unterschied zur Rückendarstellung bekommt man den Eindruck von mehr Würde, ein trotz des Schmerzes sich langsam aufrichtender Mensch. Obwohl nach wie vor die geduckte Körperhaltung ins Auge sticht, ist ein Erwach(s)en wahrnehmbar, der Beginn des neuen Ichs.

Das ab nun an immer wieder den Rahmen einzelner Werke bildende Fenster, das den Blick aus dem dunklen Innenraum umschreibt, kann gleichermaßen als Fenster zur Seele interpretiert werden, in dem im Laufe der Performance verschiedene Außenwelten sich widerspiegeln.

Apokalyptisch mutet „Awaiting Fire“ der nächtliche Blick durch das Fenster an, das Bild erinnert an Sperrfeuer, Explosionen oder beschwört abermals die Gefahr der Verderbnis herauf. Die völlige Verzweiflung wird schließlich mit „Böse auf Gott“ klar - der letzte Ausweg aus dem Dilemma ist aus eigenem Unvermögen höhere Gewalt dafür verantwortlich zu machen, das eigene Versagen, die Ausuferung in Gewalt und Verderbnis an den Allmächtigen zu richten, symbolisiert im Kreuz. Das Bild das vor dem Hintergrund des Krieges die oftmals zu gering beachtete Thematik der Verantwortlichkeit anspricht, weist darauf hin wie eng der sogenannte Glaube – oftmals nichts anderes als die Abgabe der letzten Verantwortung – das eigene Erleben zerstören muß. Die Kirche kann so wie die Gesellschaft nur einen Rahmen bilden, um die Auswüchse an Freiheitsverletzung zu unterbinden, wie weit der/die Einzelne davon getragen wird hängt nicht zuletzt vom Funktionieren des Gefüges ab, das Kultur und Zeit erfüllen.

Die Ruhe nach dem Krieg zeigt sich in der apokalyptischen Idylle "Sterile Vision“  - „der meterhoch herausragende Stein“ [zit. aus dem Buchtext] der in „Der Traum von Dubrovnik“ bereits einmal als Bildvorlage diente und die Kriegsszenerie prophezeite, steht diesmal plötzlich unter dem Gesichtspunkt von Ruhe. Obgleich in der Arbeit die rot-gelb-schwarz-gefärbte Stimmung ein deutliches Zeichen von Bedrohung ausstrahlen könnte, vermittelt es eine nicht erwartete Wärme.

Der bildliche Weg vollzieht nun abermals eine Wendung – die Folgen, die Relikte stehen im Licht, der Blick richtet sich auf vergangen Geglaubtes. In „Stained Glass“ wird durch blutbeschmierte Scherben der körperliche Schmerz thematisiert, der Gedanke trifft auf die Angst, daß die Schatten in der Zukunft wiederkehren können. Die Abbruchhäuser in „Fehlerlose Dunkelheit“ weisen auf den hohen materiellen Einsatz hin, vermitteln in diesem Zusammenhang allerdings vielmehr als Sinnbild für das Schutz bietende Haus der Familie den Eindruck des Zusammenbruchs der Strukturen dieser kleinsten Beziehungseinheit.

Die klassische Symbolik des Grabes, des Friedhofs wird hier durch zwei Abbildungen kontrastiert,  in „Schatten eines schwarz-weißen Traumes“ wird mit der monochromen Abbildung das Geschichtsbild verdeutlicht, das „Träumen in Schwarz-Weiß“ [vgl. Buchtext] bildet den ersten Eindruck, Grabsteininschriften erinnern an die Gefallenen – der Text spricht vom Tabu, die Jahreszahlen erheben die Grabsteine zu Pfeilern der Erinnerung an die besuchten Kriegsschauplätze.

Die eigene Gewalt zeigt sich vor dem Erwachen ein letztes Mal, im Fenster des eigenen Spiegels erscheint die Fratze des Hasses, „Der Leibhaftige“ – bei Tageslicht läßt sich das volle Ausmaß an Zerstörung wahrnehmen - im blutroten Friedhof „Gräber ohne Namen“ sind jetzt (im Angesicht des Todes) alle Menschen gleich, keine Inschriften erinnern an die Opfer, Blut hat Täter und Opfer gleichgewaschen. Der Aufbau einer neuen Struktur wird notwendig sein, um aus der Zerstörung neue Wege zu beschreiten, die ersten Schritte wurden vielleicht bereits gemacht, das Thema wurde zur Sprache gebracht, in konstruktiver Weise neu geboren, der Beginn einer neuen Zeit.

Fast Frieden stiftend schließt sich das Rad in „Cemetary Gates“, die Zeit wird abermals die Erinnerung verschleiern, die Konflikte wurden begraben, zurückbleiben kann nur ein Erkennen, der Ansatz zur neuen Kommunikation, eine vielleicht weniger gewalttätige Form zu finden, die Kommunikation im Miteinander zu entdecken – den Schmerz nicht hinzunehmen, ihn schon gar nicht unreflektiert weiterzugeben.

Klaus Schrefler, 2000