Gedanken zu "Rhythmen der Gewalt"
Was immer man unter dem Wort
`Kunst` verstehen mag - es liegt mir daran, zu verdeutlichen, dass ich
dieses Substantiv selbst immer wieder neu interpretiere. Wahrnehmbar
ist allerdings im Laufe der Jahre eine eindeutige Tendenz - entstanden
meine Arbeiten anfangs aus den diversen unterschiedlichen Themen, die
sich aufgrund meiner Visionen auftaten oder aus Prozessen, die dazu dienten
meine eigenen Problembehafteten Situationen im Leben zu verarbeiten,
so arbeite ich mehr und mehr - mitunter wie im gegebenen Fall thematisch
auf eine Vorgabe bezogen - an Ausprägungen
problembehafteter zwischenmenschlicher Beziehungen aus einem gesellschaftlich-kulturell-spirituellen
Kontext heraus.
Der Arbeitsprozess umfasst in der Zwischenzeit
eine dem jeweiligen Thema entsprechende Phase der intensiven Auseinandersetzung
mit den sozialen, religiösen und psychoanalytischen Voraussetzungen für die meist
gesellschaftlich polarisierten Arbeitsgebiete und ihre Zusammenhänge,
die man als Vorbedingung für kulturelle Entwicklungen sehen kann.
Um einen vordergründigen und oberflächlichen Zugang auszuschließen,
erwies es sich teils als Notwendigkeit, mich mit den verschiedenen Persönlichkeitsstrukturen
auseinander zu setzen. Konkret zum aktuellen Thema - für die Aufgabenstellung,
mich mit sexueller Gewalt an Kindern künstlerisch zu befassen, wählte
ich neben der üblichen Auseinandersetzung mit Dokumentar- und Seminarmaterial
die Konfrontation mit Opfern ebenso als Quelle der Inspiration, wie das
Gespräch mit Tätern. Ziel davon ist es, meine tiefe
Auseinandersetzung mit den jeweiligen "Rollen" zu ermöglichen.
Die meiner Meinung nach zu vordergründige Inszenierung des Sachverhalts
in den Medien, sollte eine spirituell motivierte Beleuchtung erfahren,
die mit dem Titel "Rhythmen der Gewalt" umschrieben wurde.
Statt lediglich dem Gut-und-Böse-Bild Rechnung zu tragen, lag mir
daran, die Hintergründe der Gewaltbereitschaft zu thematisieren.
Mit dem Slogan "Gewalt ist die Bedingung für die Rechtfertigung
sie auszuüben!" soll jener innere Prozess angesprochen werden,
der dem sogenannten Täter - noch dazu ungeachtet aller möglichen
Folgen - die Berechtigung zur Ausführung gibt. Schließlich
darf, trotz der keinesfalls zu vernachlässigenden Konsequenzen und
der notwendigen Hilfestellung für das Opfer, nicht darauf vergessen
werden, dass alleine die Tat und das Un-/Bewusstsein etwas Unrechtmäßiges
zu tun, ein Schuldgefühl und Schmerz hinterlässt; ungeachtet
dessen, dass der Mensch im Regelfall dazu tendiert, die Verantwortung
abzuschieben, zu leugnen oder selbige anderswohin zu projizieren. Die
Tatsache, dass es Menschen gibt, die diese Selbstleugnung ihr Leben lang
aufrecht erhalten, soll kein Ansatz dazu sein, den Tätern genau
das zu versagen, dessen Mangel ihre Situation hervorgerufen hat -Verständnis,
Liebe, Achtung. Werte, die allesamt aktiv und passiv zu verstehen sind,
mit anderen Worten "wer den eigenen Körper nicht achtet, ist
auch nicht in der Lage es bei dem eines anderen Menschen oder Lebewesens
zu tun" oder "wer sich selbst nicht liebt, ist nicht in der
Lage andere zu lieben". Diese relativ dogmatisch dargestellten Thesen
sind sicherlich nicht die einzige Wahrheit, aber sie können einen
Ansatz darstellen, diese Rhythmen der Gewalt zu durchbrechen. Vor allen
Dingen gibt es nicht nur den Täter, möglich wird Gewalt oft
nur durch das Zusammenspiel mehrerer Menschen im Kollektiv der Familie.
Gerade der hier praktizierte Zugang verdeutlicht
wieder jenen Denkansatz, den ich schon meinen bisherigen Arbeiten zugrunde
gelegt habe "...there
is no light without darkness..." Nicht verwechselt soll diese Einstellung
mit dem grauen Mittelweg werden, den ich als "Fehlen des Rückgrats",
als Angst vor der Positionierung bezeichnen möchte. Mir ist bewusst,
dass die Dinge nicht "so einfach" sind, schließlich sind
wir selbst alle Gefangene unzähliger Schranken, deren Rechtfertigung
uns vielleicht vor der Gesellschaft gelingt, nie aber vor uns selbst.
Ob wir als Kriminelle bezeichnet werden oder nicht hängt doch ausschließlich
davon ab, wie "normal" unser Tun ist, wie viele Mittäter
es gibt, wie bewusst wir uns unseres eigenen permanenten Scheiterns sind.
Es ist ein daher ganz anderer Begriff, der mir geeignet erscheint, die
Problematik zu verdeutlichen - fehlendes Verantwortungsbewusstsein. Verantwortung
lässt sich meines Erachtens nicht teilen, jeder Mensch muss sie
zu 100% übernehmen, für ihr/sein Tun, für den Zustand
der Welt, für das Erleben von Schmerz - dabei sind wir allein, ob
es uns recht ist oder nicht. Ich denke, dass wir anders keine Möglichkeit
haben, diese Kreisläufe zu durchbrechen, das einzige was wir ansonsten
erreichen, ist unser schlechtes Gewissen dafür loszuwerden, dass
Gewalt in unserer Welt gang und gebe ist. Genau deshalb macht es auch
Sinn daran zu glauben, dass man einen Unterschied machen kann. Sind wir
bereit, aufzuhören zu polarisieren, uns jedoch für ein friedliches
und verständnisvolles Miteinander zu positionieren, haben wir eine
reale Chance, die Rhythmen der Gewalt zu verlassen.
[...ein Mindfuck als Basis für die Manifestation - KaRaSu, 2001]